Der Roman Marligune - Wandelungen zwischen den Welten von
Maya Mos ist im Dezember 2010 bei Shaker - media erschienen. Er hat 252 Seiten.
Maya Mos ist im Dezember 2010 bei Shaker - media erschienen. Er hat 252 Seiten.
Am 20. November 2010 wurde "Marligune" in Hamburg der Öffentlichkeit präsentiert: Mit einer Lesung im Künstlerhaus Frappant, von mittelalterlicher Musik der Band Maya und die Doctores und einer Dia - Show mit dem Titel Wahrheiten wichtiger Waldwichtel eingerahmt.
Am Sonntag 17.4. um 16.30 findet die nächste Lesung mit Musik in der Landdrostei Pinneberg statt.
Am Sonntag 17.4. um 16.30 findet die nächste Lesung mit Musik in der Landdrostei Pinneberg statt.
Vorwort
Manchmal meinen wir, Weisheit bestehe in ewig gültigen Ratschlägen und unwandelbaren Werten. Aber oft ist es so, dass die wirklich nützliche Weisheit nur die Wahrheit des Moments beinhaltet, die in einer bestimmten Situation gefunden werden muss. Wer als edel, tapfer, gut, treu und sonstig wertvoll gelten möchte, hält sich an einen Kodex, der irgendwann von einem Kreis von Menschen festgelegt wurde, die sich selbst für tapfer, edel, treu und anderweitig für gute und wertvolle Personen hielten. Jedoch offenbart uns wiederum das Märchen, dass manchmal der zum grossen Ziel gelangt, der sich nicht an starre Regeln gehalten hat, sondern intuitiven Ideen und Geistesblitzen folgend den unsichtbaren schmalen Pfad des Mysteriums beschritt, auf dem ihn sonst niemand begleiten konnte. Scheinbar tappt er in tausend Fallen, doch zum Schluss stellt sich heraus, dass alles was er tat, das einzig richtige war. In diesem Sinne ist also die Weisheit beweglich und nicht starr. So ist es auch die Weisheit und die Güte der Marligune, denn sie ist wandelbar, wie wir sehen werden.
Exposé
König Odifan lebt mit seinen drei Söhnen und deren Knappen, Pferden und Knapppenpferden auf Schloss Wulfenburg, einer schlichten aber starken Festung, von der aus er das friedliche und fruchtbare Reich Odifanien regiert. Sein ältester Sohn Arleman hat bereits die klösterlich erzogene Jessifer geehelicht, während der zweite Sohn Iguron noch verlobt ist und seine wunderschöne, liebreizende Braut Karlegund mit ihrem Gefolge als Gast auf dem Schloss beherbergt. Der jüngste Sohn Gelmenfirst ist noch ein Jüngling.
Da die Königin schon lange tot ist, schwelgen Arleman und seine nach Macht und Geltung gierende Frau Jessifer in der Vorstellung, der etwas altersschwache König möge bald, und vor seinem Ableben den Thron räumen. Der alte König aber hat eine ebenso alte und weise Ratgeberin: Marligune. Diese rät ihm, Arleman zu übergehen und Iguron zum Thronerben zu machen, weil dieser in der Lage sei auch mit dem Feenvolk, das im Reiche lebt, in gutem Frieden zu regieren. Marligune ist Arleman und seiner Frau Jessifer ein besonderer Dorn im Auge. Sie beherrscht die Heilkunde, die Jessifer für pures Teufelszeug hält, denn wenn jemand krank ist, kann man schliesslich für ihn beten. Ihr erstes Bestreben ist es, sobald sie Königin wird, solches Satanswerk dem ganzen Volke Odifaniens auszutreiben. Arleman hingegen findet, dass sie als königliche Familie doch etwas zu knapp gehalten werden, denn der treue und gerechte Odifan legt keinen Wert auf Prunk und die Wände des Schlosses sind kahl und ungeschmückt, während seine Dienerschar kaum mehr als zwei Hände voll zählt.
Zum Glück gibt es einen schrecklichen Drachen, der angelegentlich das Reich Odifanien heimsucht, um dortselbst Verheerungen und Verwüstungen anzurichten. Auf diese Weise müssen ein- bis zwei- bis dreimal im Jahr alle Ritter und Edelleute zusammenkommen, um gemeinsam gegen den Drachen zu kämpfen. Da somit alle zusammen auf einer Seite stehen, kommt es selten oder nie zu Zwistigkeiten innerhalb des Reiches.
Arleman ist besessen von der Idee, selbst den Drachen töten zu müssen. Denn in dem Moment, wo er ihn eigenhändig besiegt, glaubt er, könne er seinen Anspruch auf den Thron geltend machen. Leider hat jedoch der Drache die Angewohnheit, wie aus dem Nichts aufzutauchen und sich ebenso unerklärlich nach einem Angriff in Nichts wieder aufzulösen, was seine Verfolgung zu einem sehr schwierigen Unterfangen macht.
Eines Tages finden die Ritter, die im Begriffe sind, den Drachen zu verfolgen, ein junges Edelfräulein im Wald, das offensichtlich sein Gedächtnis verloren hat. Die junge Frau weiss weder ihren Namen noch ihre Herkunft zu nennen. Sie wird auf dem Schloss beherbergt, wo sie durch ihre Schönheit aufsehen erregt, und Prinz Iguron verliebt sich sogar in sie. Doch langsam und mit der Zeit fallen seltsame Dinge an ihr auf: Zuerst wird sie von einer schrecklichen Vision heimgesucht und schreit des Nachts markerschütternd, sodass das ganze Schloss auf den Beinen ist. Alle lauschen entsetzt ihren Schilderungen, die darin enden, dass das ganze Königreich im Blut versinkt, wenn der Drachen getötet werden sollte.
Einige Zeit später wird der Drache wieder im Lande gesehen und die Ritter folgen ihm. Arleman kommt sehr nah an ihn heran und fügt ihm eine schwere Wunde am Hinterlauf zu. Während dieser Zeit lässt sich das Fräulein Walia, wie die schöne Unbekannte jetzt genannt wird, gar nicht sehen und bleibt in ihrem Turmzimmer. Eine Zofe der Karlegund beobachtet, wie sie blutgetränkte Tücher aus dem Turmfenster wirft.
Iguron besucht „fürsorglich“ die Kranke in ihrem Turm und bald kann er sich nicht mehr beherrschen: Er fällt vor ihr auf die Knie und gesteht ihr seine Liebe. Walia verspricht, ihm ihr wahres Wesen zu zeigen, damit er einsehen kann, dass er und sie nicht für einander geschaffen sind und, dass es das Beste ist, wenn er wie geplant seine Verlobte Karlegund zur Frau nimmt.
Bei Vollmond treffen sich die beiden auf einer Waldlichtung. Dort erblickt der verblüffte Iguron zunächst Marligune, die sich bald in Walia verwandelt und wieder zurück. Dann mit einem Mal liegt dort ein Drache und schläft wie ein friedliches Baby. Dieser verwandelt sich zurück in Marligune und von ihr erfährt Iguron, warum sie diese ganzen Formen annehmen musste, um den Frieden im Reich zu erhalten. Wieder zurückverwandelt in Walia verbringt sie mit ihm die Nacht im Wald.
Marligune führt Iguron zum Feenvolk, wo er zu seiner grossen Verwunderung als König angesprochen wird.
Karlegund flieht aus dem Schloss, da sie Iguron der Untreue verdächtigt und reist zu ihrem Vater. Auf dem Weg dorthin gerät auch sie in das Feenreich. Iguron holt sie aber ein und verbringt mit ihr einige Zeit auf dem Schloss ihres Vaters. Währenddessen verfolgt Arleman den Drachen bis ans Ende der bekannten Welt und stirbt an einem einsamen Strand, während der Drache im Meer versinkt. Seiner Totenfeier folgt die prunkvolle Hochzeit von Iguron und Karlegund, die nun das neue Königspaar werden, denn Odifan und Marligune verlassen diese Welt.
Textprobe
Wieder kamen sie in einen Wald. Dort war alles ruhig. Nur ein regelmässiges Schnauben kam von irgendwoher. Zu laut und zu kräftig für ein Wildschwein, das weit entfernt lag, aber auch ruhig und gleichmässig.
Arleman spürte, wie jedes Häärchen von seiner Haut abstand und im Nacken eine Hitze aufstieg, wie von einem glühenden Kragen. Auch die anderer Ritter fühlten sich durchdrungen von einer fremden Kraft, die sie vorsichtig machte, aber gleichzeitig vorantrieb. Wie im Traum leuchtete der Wald im Lichte der tiefstehenden Sonne, bevor die Dämmerung anbrach. Ohne zu überlegen schlugen alle gemeinsam eine Richtung ein, die sie tief in den Wald hineinführte. Das Schnauben hörte sich nun lauter an. Lauter, aber immer noch im stetigen gleichbleibenden Rhythmus. Wie der Atem der Welt klang es: Als ob die Erde im immer gleichen Zeittakt aus und einatmete; ununterbrochen der Notwendigkeit folgend. Keiner sprach. War es aus Spannung, oder nur, weil man hoffte, den Drachen im Schlaf zu überraschen und ihn hinterrücks zu überwältigen. Doch selbst, wenn es ihnen gelänge, wäre es kein ehrenhafter Kampf für die Ritter, ein schlafendes Tier zu töten. So hing jeder seinen Gedanken nach und ritt einfach voran. Immer den Geräuschen nach.
Während sich die Sonne weiter senkte, sah man, dass Arleman von innen zu leuchten begann. Das Schwert hatte er bereits aus der von Jessifer kunstvoll bestickten Scheide gezogen und trug es aufgerichtet vor sich her. Er war nicht nur doppelt so gross und breit wie seine Mitstreiter, sondern von ihm und seinem Schwert ging ausserdem ein goldener Glanz aus. Ohne Anstrengung schritt sein Pferd voran. Zielsicher auf das Schnarchen zu, das inzwischen zu einem ohrenbetäubenden Getöse angeschwollen war. Der Wald donnerte und bebte, dass die Blätter an den Bäumen raschelten. Doch ihr Rascheln fiel so leise aus, dass man es bei dem Drachenschnarchen- Krach gar nicht hören konnte. Je lauter es aber wurde, desto unklarer wurde das Geräusch. Bald hätte man es ebenso gut für ein Brüllen denn für ein Schnauben oder Schnarchen halten können. Ausserdem verband sich jedesmal mit dem Ausatmen ein solcher Windstoss, dass die Pferde zurückgedrängt wurden und mit dem einatmen jeweils wieder vorangesogen. Das behagte den Tieren wenig und die Ritter trieben sie streng mit den Sporen voran und hielten die Zügel stramm, um ihre Rösser am Ausbrechen zu hindern. Nun konnte das Ziel nicht mehr weit sein. Zu sehen war von dem Lindwurm jedoch noch nichts, da es reichlich Strauchwerk gab, und das Gelände hier etwas hügelig war.
Donnernd brach es über sie herein: Eine Flamme, die jeden Staub von den Helmen und Rüstungen frass. Sie war aus den Nüstern des eben erwachten Untiers gefahren. Arleman stürmte los. In seinem unerbittlichen Heldenmut drang er auf das Tier ein. Nicht achtend der scharfen Fangzähne, die nach ihm schnappten. Ohne vor den Flammen zu weichen, die bereits seinen Bart versengten, wo er unter dem Helm hervorschaute. Sein Schwert hieb nach der Flanke des Lindwurms, doch das Tier sprang, behender als erwartet, zur Seite. Aber der zweite Streich sass und traf den Drachen tief in den Hinterlauf. Gleichzeitig hörte Arleman ein Schnappen und die gewaltigen Kiefer des Untiers klappten über ihm zusammen. Nun wurde es seinem Braunen zu viel und zügellos flüchtete er in den Wald. Arleman griff mit der Rechten die Zügel. Zu spät bemerkte er, dass seine linke Hand samt Schild und Zügelende dem Drachenmaul zum Opfer gefallen war. In seiner Raserei hatte er noch nicht einmal den Schmerz gespürt. Jedoch um das Reittier zu halten, musste er jetzt das Schwert wieder in die Scheide zurückführen, was ihm nicht leicht fiel angesichts des wild fliehenden Pferdes und der schweren Verletzung. Inzwischen bedrängten die anderen Kämpfer das wütende Tier, das auf dem verletzten Hinterlauf humpelte. Hoch über ihren Köpfen liess es den Schild und die Hand Arlemans fallen, so dass jeder der Mannen etwas davon abbekam. Der Schild fiel Axel von der Rabenweise auf den Helm, der taumelte und vom Pferd stürzte. Die meisten anderen wurden nur von ein paar Blutstropfen besprenkelt. Jedoch Gelmenfirst, der Arme, bekam die wirkliche Hand seines Bruders auf die Mähne seines Reittieres geschleudert, wo sie einen Moment lang liegenblieb und dann zu Boden fiel. Ohne zuvor das Geschehene begriffen zu haben, erkannte er die Hand sofort und fiel daraufhin in eine lähmende Starre, so dass er am Kampfe nicht weiter teilnehmen konnte. Die Ritter versuchten jetzt, den Drachen zu umzingeln, aber die Unwegsamkeit des Geländes machte es unmöglich. Und trotz seiner Verletzung konnte der Drache mit seinen riesigen Klauen einfach zwischen ihnen hindurch trapsen. Keinem von ihnen gelang es mehr, nahe an ihn heranzukommen, denn sein gewaltiger Schwanz schleuderte hin und her, so dass den Pferden die Beine weggerissen wurden. Einige Lanzen wurden auf ihn abgeworfen, doch sie prallten an der Panzerhaut ab wie Stöcke. Plötzlich drängte sich der Drache durch ein enges Gestrüpp. Als sei er klein und geschmeidig geworden, schlossen sich die Dornenäste hinter ihm, Und in diesem Teil des Waldes standen die Tannen so eng, dass die Reiter nicht hindurch konnten. Sie hörten es noch ein paarmal knacken, und dann war es wieder so ruhig, dass man den Gesang der Vögel hören konnte.
Arleman war nun auch wieder unter ihnen. Es war ihm gelungen, die Zügel um den Armstumpf zu wickeln und mit dem Schwert in der Rechten schlug er auf das Gebüsch ein. So konnte er sich einen Weg von ein paar Metern bahnen. Doch nach dem Blutverlust und der übermenschlichen Anstrengung übermannte ihn schliesslich eine Ohnmacht und er fiel vom Pferd. Nun sangen die Vögel laut und schallend durch den ganzen Wald, denn es war Dämmerung. Und die Dämmerung dauerte im Odifanischen Sommer recht lang. Wer ihre Stimmen verstehen konnte, der hörte dieses Lied: